unabhängige Kommission zur Untersuchung und Kontrolle der Medialisierung und Visualisierung von Rechtswirklichkeit am Beispiel der ARD-Produktionen "Tatort" und "Polizeiruf 110"
jeden Sonntag 20.15 Uhr ARD: Die deutsche Nation sieht Tatort seit 1970
Institut für interdisziplinäre Medienforschung "Innere Sicherheit" (IIMIS)
Ein Projekt des arbeitskreises kritischer juristinnen und juristen an der Humbodt-Universität zu Berlin (akj-berlin) :
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Institut für interdisziplinäre Medienforschung "Innere Sicherheit" (IIMIS)
Das Institut für interdisziplinäre Medienforschung "Innere Sicherheit" (IIMIS) ist ein Projekt des arbeitskreises kritischer juristinnen und juristen an der Humboldt-Universität zu Berlin (akj-berlin), das sich mit der Medialisierung und Visualisierung von Rechtswirklichkeit in Rundfunk, Publikationen und Internet beschäftigt. Dabei steht die Frage im Vordergrund, wie durch eine bestimmte Darstellung von Rechtswirklichkeit, wozu auch jede rechtsförmige oder sonstige Handlung von Hoheitsträgern zählt, die Erwartungshaltung der Zuschauer in das Verhalten von Amtsträgern oder in gerichtliche Entscheidungen stabilisiert und wie das unsere Wahrnehmung vom Recht und seiner Anwendung beeinflusst.
Die Tatortkontrollkommission ist die erste öffentliche Plattform des Instituts. Sie fungiert als unabhängige Kommission zur Untersuchung und Kontrolle der Medialisierung und Visualisierung von Rechtswirklichkeit am Beispiel der ARD-Produktionen "Tatort" und "Polizeiruf 110".
Was macht die Tatortkontrollkommission? Gegenstand der Untersuchung ist vornehmlich die medialisierte Darstellung polizeilichen Verhaltens in den bekannten ARD-Kriminalproduktionen Tatort und Polizeiruf 110. Dazu gilt es zunächst zu analysieren, welches Bild die ZuschauerInnen vom Funktionieren des Polizeiapparats angesichts der präsentierten Fernsehtbilder bekommen müssen oder angesichts einer bestimmten Bildauswahl (wohl eher) bekommen sollen. Gegenstand unserer Kontrollarbeit ist daher die Kritik an Automatismen, die vermittelt über eine selbstverständliche und kontinuierliche Darstellung polizeilicher Willkürmaßnahmen oder Gesetzesüberschreitungen bei den Zuschauerinnen und Zuschauern eine Erwartungshaltung hervorrufen, wonach das (rechtswidrige) dargestellte Vorgehen der Polizei auch in Wirklichkeit "normal" und daher möglicherweise legitim sei. Dabei beschränken wir uns als interdisziplinäre Kommission nicht nur auf rechtliche Aspekte. Ebenso soll die Darstellung von Geschlechterrollen, politischer Themen und gesellschaftlichen Randgruppen berücksichtigt werden.
Warum gibt es die Tatortkontrollkommission? Die ARD-Kriminalproduktionen "Tatort" und "Polizeiruf 110" prägen seit 1970 das sonntägliche Abendprogramm der gesamten Familie. Dabei werden - wie bei kaum einer anderen Sendung der ARD - alle gesellschaftlichen Gruppen erreicht. Insofern nehmen die Sendungen an unserer Meinungsbildung und Wirklichkeitswahrnehmung wichtigen Anteil. Wie kaum eine andere Sendereihe verstehen es diese Produktionen, gesellschaftliche Konflikte und Problemzone in einen mehr oder weniger spannenden Ermittlungsrahmen zu setzen und darin zu thematisieren. Der ideale Sendeplatz am Sonntagabend und die lange Kontinuität der Produktionen sind beste Voraussetzung, tatsächlich ein Sozialisationspunkt der heutigen Arbeits- und EntscheidungsträgerInnen zu sein. Denn ebenso wie der Tatort eine medialisierte Spiegelung bundesdeutscher Realität im Westen war, war es der Polizeiruf 110 bis 1989 in der DDR, und sind es beide bis heute. Die Darstellung polizeilichen Vorgehens bei ihrer Ermittlungstätigkeit in diesen ARD-Produktionen kann daher nicht egal sein. Sie prägt unsere Wahrnehmung von Polizeialltag mehr als unser tägliches Erleben. Die ZuschauerInnen bekommen dadurch nicht nur einen beobachtenden Einblick in die Polizeiarbeit, sie können sich zumeist auch mit den ermittelnden PolizeibeamtInnen identifizieren, da diese - trotz all ihrer Probleme und Vorbehalte - als Sympathieträger fungieren. Dabei ist unsere Wahrnehmung für jede Art von Manipulation anfällig: Sei es - einige hypotetische Beispiele -, dass der Axtschläger immer ein Mann ist, der Giftmord aber von einer Frau begangen wird, der Bonze von einem HartzIV-Empfänger erschlagen oder der Raubmord von einem Ausländer begangen wurde... Dergleichen Inszenierungen sind noch relativ durchsichtig und bleiben auch für ZuschauerInnen oft als bloße Fiktion erkennbar. Wie aber ist es, wenn sich die Polizei mit Selbstverständlichkeit ohne Durchsuchungsbefehl Zugang zu Wohnungen verschafft oder Verdächtige ohne Belehrung oder auch unter Druck, vielleicht sogar mit körperlicher Gewalt zur Aussage animiert?! Natürlich drohen den BeamtInnen keine disziplinarischen Konsequenzen oder werden sie auch von ihren Vorgesetzten zu solchen Verhalten aufgefordert. Wenn dadurch der Eindruck vermittelt wird, all diese Maßnahmen seien nicht nur Realität, sondern zur Aufklärung eines Falls unbedingt erforderlich, kann dies für unsere Wahrnehmung von Polizeialltag nicht ohne Folgen bleiben.